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Röhrenverstärker: müssen die wirklich so laut sein?


Jeder hat das sich schon mal von einem Gitarristen gehört bzw. selbst erlebt: ein lauter Verstärker klingt besser als ein Leiser! Ich wollte diesem Thema mal genau auf den Grund gehen und darum habe ich mir meine American Standard Stratocaster geschnappt und über ein Boss DD7 ein paar Takte geloopt.

Dabei spiele ich anfangs ein paar leisere Akkordzerlegungen und schlage dann die Akkorde nochmal relativ hart an, damit man auch die Dynamik des Amps bei verschiedenen Einstellungen hört. Als der Loop dann in Dauerschleife lief, habe ich verschiedenste Ampsettings aufgenommen. Am Mischpult habe ich die Lautstärkeunterschiede am Gain ausgeglichen, damit sich die Aufnahmen gleich laut anhören, obwohl der Amp unterschiedlich laut gelaufen ist. Damit will ich feststellen ob ein lauter Amp besser klingt, weil es einfach lauter im Raum ist und es deswegen mehr Spaß macht, oder ob man das tatsächlich auch merkt, wenn man einen leisen Amp mikrofoniert und danach die Aufnahme mit einem mikrofonierten lauten Amp bei gleicher Abhörlautstärke vergleicht. Alles klar?

Das Setup:

Mikrofoniert wird übrigens mein Vox AC15 mit einem Sennheiser e906. Als Audiointerface dient ein Behringer X32 Digitalmischpult. Beim Vox AC15 verwende ich übrigens den Normal-Channel. Ich verändere zwischen den Aufnahmen die Master-Lautstärke und den Gain vom Kanal.


VOX AC 15

VOX AC 15 | © MoWa Rockt

Hier gehe ich jetzt etwas in die Tiefe. Wer‘s nur überfliegen will springt jetzt bitte gleich weiter zum Fazit am Ende des Artikels.

 

Ich starte mit maximaler Lautstärke: Volume 10 | Master 10

Das Ding ist unfassbar laut und jeder Schlagzeuger der Welt wird mit diesem Setting verblasen. Daher ist diese Einstellung absolut nicht bühnentauglich. Mir persönlich gefällt diese Einstellung ohnehin nicht, da der Amp auch bei leisen Anschlägen bereits sehr stark zerrt. Die Verzerrung im Bassbereich ist ebenfalls sehr stark und das Ganze wird sehr schnell ziemlich matschig. Persönlich bevorzuge eher cleanere Settings, bei denen der Amp nur bei festem Anschlag in eine Zerre übergeht und sonst relativ clean bleibt. Genau da liegt ja die eigentliche Stärke von Röhrenverstärkern. Daher werde ich alle weiteren Aufnahmen mit Gain 5 fortsetzen.

Hier also die nächste Aufnahme Volume 10 | Master 5

Dieser Sound gefällt mir schon viel besser. Es ist durchsetzungsfähiger und man hört klar, wie der Amp auf leise und laute Anschläge reagiert. Es macht zwar Spaß, den Amp auf dieser Einstellung zu spielen, aber leider ist es immer noch viel zu laut um den Sound auch live nutzen zu können.

Nächster Versuch: Volume 5 | Master 5

Von der Lautstärke her ändert sich im Raum so gut wie nichts. Was man auf der Aufnahme jedoch hört ist, dass im fest angeschlagenen Teil die Anschläge stärker rauskommen. Der Moment, wenn man den Akkord anschlägt, sticht lautstärkemäßig also viel stärker hervor als vorher. Das kommt natürlich daher, dass der Amp mit weniger Gesamtlautstärke mehr Leistungsreserven hat um diese Spitzen auch wiederzugeben. Voll aufgerissen wird ein leises Signal auch bis an die Grenze vom Amp gebracht und somit bleibt keine Leistungsreserve mehr für die Spitzen beim Anschlag übrig

Jetzt mit Volume 2,5 | Master 5

Das ist eine Lautstärke, welche sich in den meisten Proberäumen gut in der Band einfügt. Hier kommen die Anschläge noch viel stärker hervor. Meiner Meinung nach schon viel zu stark. Im Raum verliert der Amp deutlich an Bass. Das ist jedoch nur subjektiv, da man auf den Aufnahmen so gut wie keinen Unterschied feststellt. Das liegt daran das die Basswahrnehmung vom Gehör mit der Lautstärke steigt. Wem‘s genauer interessiert: https://de.wikipedia.org/wiki/Gehörrichtige_Lautstärke

 

Hier nun meine Zusammenfassung des Unterschieds zwischen einem „voll aufgerissenen“ und relativ leisen Vox AC15 mit Gain-Einstellung 5 und einer Stratocaster:

  • Leiser Amp: durch festen Anschlag verzerrt der Amp, durch leisen Anschlag wird der Amp clean und gleichzeitig viel leiser. Die Anschläge durch das Plektrum kommen sehr stark durch.

  • Lauter Amp: durch festen Anschlag verzerrt der Amp, durch leichten Anschlag wird der Amp clean und bleibt dabei fast auf gleicher Lautstärker. Die Anschläge durch das Plektrum werden sehr stark gedämpft. Der Grundsound vom Amp ändert sich durch die Lautstärke kaum, die heftigste Änderung ist in der Dynamik spürbar!

Man muss dazusagen das eine Stratocaster mit Single Coils eine Gitarre mit einem extrem hohen Dynamikumfang ist. Bei einer Gitarre mit Humbucker würde das natürlich nicht so stark zu tragen kommen. Also: klingt ein lauter Röhrenamp wirklich besser als ein leiser? Leider ist die Antwort darauf definitiv ja! Der Sound wird etwas kompakter und komprimierter. Diese Erkenntnisse gelten übrigens nicht nur für einen Vox AC15. Man kann das 1:1 auf jeden anderen Röhrenamp übertragen der mit einer leicht angezerrten Einstellung betrieben wird.

Wenn es im Raum laut wird, interagiert die Gitarre mit den Schwingungen im Raum. Das sind Effekte welche sich nicht aufnehmen lassen, man jedoch selbst beim Spielen merkt. Es macht schlicht und einfach mehr Spaß, wenn auch ordentlich Luft bewegt wird, wenn man in die Saiten greift. Offenbar ist der Soundunterschied jedoch nicht nur subjektiv, sondern auch auf Aufnahmen hörbar. Mein Amp hat 15W. Wenn ich mir vorstellen würde, dass mein Amp 50W oder gar 100W hätte, wären die Spitzen noch viel mehr hervorgehoben. Wer braucht sowas????

Das Ergebnis steht fest: Ein lauter Röhrenamp klingt besser!

Das steht aber - mit meiner Meinung, dass ein möglichst leiser Gitarrensound dem Gesamtklang der Band gut tut - im Widerspruch (siehe Artikel guter Sound in kleinen Locations). In einem der kommenden Artikel, werde ich die nächsten Versuche dokumentieren um den Amp trotz voller Leistung auf eine erträgliche Lautstärke zu bringen. Also die Dynamik von einem „aufgerissenen“ Amp zu behalten und gleichzeitig Frieden mit den Mitmusikern zu bewahren.

 

MoWa Rockt - Techtalk Guitar

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